Märchenland Schwarzwald?
Der Schwarzwald und Märchen - das passt einfach. Mit diesem Klischee spielt nicht zuletzt jeder Tourismusverband im Schwarzwald.
Dunkle, neblige Wälder, tiefe Schluchten und Täler und hohe Berge. Es fällt nicht allzu schwer sich darin Hexen, Wölfe und allerlei Sagengestalten vorzustellen, die nachts durch die Wälder streifen.
Aber woher kommt es, dass ausgerechnet der Schwarzwald so stark mit Märchen assoziiert wird?
Fast jedes Dorf im Schwarzwald hat seine Sagen und Märchengeschichten zu erzählen. Da gibt es zum Beispiel den Berg Kandel, auch Blocksberg des Schwarzwaldes genannt, an dem ausgerechnet in der Walpurgisnacht 1981 ein riesiger Felsen abbrach und den Berg hinab stürzte. Zu der Tatsache, dass der Abbruch an Walpurgisnacht geschah kam am nächsten Tag noch der Fund eines Reisigbesen im Schutt dazu. Für viele Einheimische war klar: da steckt mehr dahinter. Auch heute wird dieser Vorfall erzählt und verstärkt nur den Mythos des Berges als Hexenzentrum.
Wilhelm Hauffs Märchen “Das kalte Herz” spielt ebenso im Schwarzwald. Es gehört nicht zu den populärsten Märchen heutzutage, vielleicht auch, weil die schöne Prinzessin, das Schloss und das typische Happy End fehlen. Trotzdem gehört es in der literarischen Märchenwelt zu den Großen. Das Kalte Herz handelt vom armen Köhler Peter, der sich Reichtum und Ansehen herbei sehnt. Helfen soll ihm das Glasmännlein, ein guter Waldgeist, welcher nur Sonntagskindern erscheint und diesen drei Wünsche erfüllt. Voraussetzung ist der richtige Ort, die richtige Zeit und das korrekte rezitieren des Verslein:
„Schatzhauser im grünen Tannewald, bist schon viel hundert Jahre alt. Dir gehört all Land, wo Tannen stehn – lässt dich nur Sonntagskindern sehn“
Peter ist ein solches Sonntagskind und erfüllt alle Bedingungen, sodass er sich etwas wünschen kann. Zuerst wünscht Peter sich Geld und Tanzkünste. Den dritten Wunsch eine Glashütte verweigert das Glasmännlein. Peter ist anfangs glücklich, es zeigt sich aber bald das Müßiggang, Spielerei und fehlender Geschäftsverstand keine gute Kombination sind. Vor Verzweiflung wendet sich Peter nun an den Holländermichel, ein böser Waldgeist. Im Gegensatz zum Glasmännlein verlangt dieser jedoch einen Gegenpreis für seine Hilfe: Peters Herz. Peter willigt ein und erhält als Ersatz für sein Herz einen kalten Stein in die Brust. Mit dem neu erhaltenen Geld bereist Peter nun zwei Jahre die Welt. Doch nichts an der Welt kann Peter mehr erfreuen. Er kann nicht mehr weinen, nicht mehr lachen und nicht mehr lieben. Verzweifelt und traurig bittet Peter den Holländermichel, um die Rückgabe seines Herzens, was dieser verweigert. Peter wird mit mehr Geld abgespeist und erhält den Rat zu heiraten. In der Folgezeit wird Peter zum reichsten Schwarzwälder und heiratet eine wunderschöne und warmherzige Frau. Auf Grund seines fehlenden Herzens kann Peter jedoch weder Liebe noch Mitgefühl empfinden, sodass er von allen Menschen Wucherzinsen verlangt und sogar seine Mutter betteln lässt. Als eines Tages seine Frau Lisbeth alleine im Haus ist, kommt ein altes Männlein des Weges entlang und bittet um einen Schluck Wasser. Lisbeth kommt dieser Bitte nach und bietet sogar Brot und Wein an. Da kommt Peter nachhause und versteht diese Großzügigkeit nicht. Als Reaktion schlägt er aus Wut und Unverständnis seine Frau mit dem Holzgriff einer Peitsche tot. Seine Frau tot auf dem Boden liegend, realisiert Peter seine grauenhafte Tat. Er bereut bitterlich, weshalb sich der alte Mann als Glasmännlein zu erkennen gibt. Fatalerweise macht Peter dem Glasmännlein nur Vorwürfe und schiebt seine aktuelle Lage auf die ursprüngliche Verweigerung seines dritten Wunsches durch das Glasmännlein. Vor Wut verwandelt sich das Glasmännlein daraufhin in ein Ungeheuer und verschont Peter nur auf Grund seiner toten, barmherzigen Frau. Peter habe achte Tage Zeit sein Leben zu überdenken. Nach quälenden acht Tagen läuft Peter schlussendlich erneut in den Wald und ruft nach dem Glasmännlein. Er bittet um die Erfüllung seines letzten Wunsches: die Rückgabe seines Herzens. Leider kann das Glasmännlein diesen Wunsch nicht erfüllen, da der Handel nicht mit ihm geschlossen wurde. Dafür verrät er Peter einen Trick, wie er den Holländermichel täuschen kann. Dieser Trick verläuft erfolgreich, wodurch Peter sein Herz vom Holländermichel zurückerhält. Als Belohnung für seine echt empfundene Reue vereint das Glasmännlein Peter mit seiner Mutter (die er zuvor als Bettlerin wegschickte) und erweckt seine verstorbene Frau wieder zum Leben. Peter arbeitet fortan fleißig als Köhler und wird auch ohne viel Geld zu einem angesehenen Mann. Das Glasmännlein wird Pate seines erstgeborenen Sohnes.
Wie in jedem Märchen überwiegen hier eindringliche Bilder, alles eingebettet in den Schwarzwald, der 1827 jedoch noch nicht so wildromantisch betrachtet wurde wie heute. Die Menschen im Schwarzwald waren fleißig, arm, arbeiteten hart und es war vor allem dunkel und einsam. Dazu kommen hohe Moralvorstellungen. Den wer kennt den Spruch nicht: Geld allein macht nicht glücklich?
Fun fact: Das Märchen Rotkäppchen, war eine Warnung an die Frauenwelt. Den der Wolf steht für den übergriffigen, gewalttätigen Mann, der das unschuldige, wehrlose Mädchen (Rotkäppchen) in Not bringt.
Aber wie kam es dazu, dass der Schwarzwald zum Märchenland würde? Ich vermutet die Geografie hatte durchaus ihren Anteil. So liegt der Gedanke nicht fern, das an langen, eingeschneiten Winterabenden in den engen Tälern Geschichten gesponnen wurden. Ungewöhnlich erscheinende Ereignisse wurden in Sagen verwandelt, sei es ein Klopfen im Wald, ein tropfender Brunnen oder Hufgeklappere. Dieses Phänomen kam vielerorts vor. Vielleicht häufte sich das Ganze nur im Schwarzwald? Dazu noch eine clevere Marketingstrategie und Menschen, die an ihrer Heimat hängen, stolz auf ihre Erbe sind und gerne daran festhalten.
Auch heute wird vielerorts mit diesem Erbe gespielt. Es gibt zahlreiche Wanderwege die Namen von Märchenfiguren tragen, Bücher mit übernatürlichen Geschehnissen oder Orte wie die Hexenlochmühle. Und vergesst nicht die Nixe im Mummelsee! Dazu kommen Seemännlein, Hexen, Werwölfe und zahlreiche Burgen.
Aber in meinen Auge passt dieses Erbe zum Schwarzwald und daran halte auch ich gerne fest. Auch wenn mein Blick auf den Schwarzwald - zugegeben - verklärt und romantisiert ist.