Innere Unruhe und Dankbarkeit

Für mich ist Dankbarkeit eine Lernsache. Das Reflektieren von Vergangenem, die Dankbarkeit für Erlebtes und die damit verbundene Vorfreude auf Neues. Das klingt vielleicht alles etwas spirituell, aber ich habe das Gefühl in unserer hektischen Welt geht gerade dieses Innehalten Stück für Stück verloren. Auch ich erwische mich immer öfter, wie besondere Erlebnisse, Reisen und Momente ineinander verschwimmen. Sie rücken in den Hintergrund und sollen von etwas schnellerem, spektakulärerem oder aufregenderem überboten werden.

Dankbarkeit ist für mich ein großes Thema, das mir oft schwerfällt. Übrigens auch ein Streitpunkt mit meiner Schwester, da ich ihrer Meinung nach oft undankbar und großspurig wirke, wenn ich über meine Reisen rede. Aber ich kann ihre Argumente auch nicht entkräften und übe mich deshalb in Dankbarkeit. Man trifft auf Reisen viele “Nomaden”, die dauerhaft auf Reisen sind und misst sich an deren Erlebnisse und Orte. Dabei vergisst man aber schnell, dass dies nicht der Norm entspricht und für viele Menschen auch gar nicht erstrebenswert erscheint.

Mittlerweile habe ich so viele aufregende Orte und Länder erlebt, großartige Menschen kennengelernt und das eine oder andere getan. Trotzdem fühle ich mich rastlos, ständig auf dem Sprung und nie angekommen.

Ich habe Länder wie Neuseeland, Kenia und Island bereist, bin von Klippen gesprungen, bin in einer kleinen Gruppe mit einem Segelboot auf eine unbewohnte Insel gesegelt und habe dort in einer Hängematte unter tausenden Sternen geschlafen. Ich habe mittlerweile drei Waltouren gemacht und jedes Mal Glück gehabt und diese unglaublichen Tiere bewundern dürfen. Ich habe Löwen auf einem Gamedrive in der freien Wildbahn gesehen. Tausende bunt schillernde Korallen haben sich mir beim Schnorcheln in Bali und Kenia eröffnet. In Österreich war ich beim Paragliding und habe die Alpen von oben bewundern dürfen. Ich habe in Australien für 5 $/h Cocktailtomaten gepflückt, Ingwer getrimmt (den ich von derselben Farm Jahre später in einem badischen Edeka entdeckt habe) und Honigkürbisse geerntet. Auf offener Straße habe ich Spenden eingetrieben, habe Hotelzimmer geputzt und hinter einer Bar gearbeitet. Ich bin in Kenia in einen Monsum geraten und habe fast das Flugzeug nachhause verpasst. An Billard- und Bierpong-Turnieren habe ich ebenso teilgenommen (und selten gewonnen) und Ameisen gegessen, die nach Zucker schmecken. Uncle Tom hat seine Aboriginial-Lieder mit mir geteilt, was ich nie vergessen werde. An unzähligen Lagerfeuern habe ich Lieder gesungen (und keinen Ton getroffen), habe Papageientaucher und Delfine in freier Wildbahn erlebt. Bin barfuß durch unzählige Tempel gewandert, habe in heißen Quellen gebadet und einen aktiven, spuckenden Vulkan auf Island beobachtet. Auf Fraser Island habe ich gecampt und wilde Dingos um unser Lager streichen gesehen, habe mir den Fuß an Muscheln verletzt, wodurch ich tagelang nicht laufen konnte und einen Helikopterflug über neuseeländische Gletscher gemacht. Ich habe Neuseelands Südinsel, ebenso wie Island, umrundet. Den Linksverkehr habe ich gemeistert und in einem 16-Personen-Raum im Hostel gewohnt. So schnell bringt mich nichts aus der Ruhe.

Das Alpenpanorama habe ich beim Skifahren und bei einer Hüttentour bewundert, bin auf kleinen Kähnen durch Bangkoks Kanäle geschippert und habe eine Interrail-Reise gemacht. Auch bei dieser Interrail-Reise lief nicht alles wie geplant, als wir im Zug von Wien nach Budapest in die Flüchtlingsströme von 2016 gerieten. Unser Zug hielt mitten auf den Gleisen an, weit weg vom nächsten Bahnhof, und wir mussten erst einmal zig Gleise zu Fuß überqueren. Dabei begegnete uns so viel Leid, als wir Menschen sahen, die ihr gesamtes Leben in einem Plastiksack hielten. Menschliches Leid, tierisches Leid und das Leid von Mutter Natur sind ständige Begleiter auf Reisen. Von den Plastikbergen in Asien, über die Schweine, die in Eisengittern in Bali transportiert werden zu Familien ohne Strom und fließend Wasser in Kenia. Mehr als einmal zweifelt man an der Menschheit und schämt sich für die eigenen Privilegien, die man zuhause zu oft vergisst. 

Viele dieser Reisen habe ich alleine gemacht, manche mit lieben Begleitern! Nicht immer lief alles glatt. Aber immer hat man etwas mitgenommen, etwas gelernt. 

Trotz all dieser unglaublichen Erlebnisse bin ich oft innerlich unruhig. Ich vergesse dankbar zu sein und bin auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer. Nicht jeder hat so vieles erlebt und nicht jeder möchte das. Das ist okay, ich messe niemanden an der Anzahl der bereisten Länder. Das Leben ist kein Wettbewerb. Genau daran muss ich mich ständig selbst erinnern. Den ich plane, während ich etwas erlebe, bereits das nächste Abenteuer. 

 

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